Katrin Salentin re-arrangiert die medial vermittelten Körper in diesen Collagen zu ganz neuer Gestalt. Der Körper bleibt dennoch anwesend, die Haut, die Volumina. Körperlichkeit schwingt auch in der delikaten mitunter gewagten Farbigkeit mit. Die schönen medientauglichen Körper werden in und durch ihre Bearbeitung vollkommen verändert. Sie schweben in ihren – unheimlichen, dystopischen Bildräumen – werden akzentuiert, detailliert, durch andere Elemente, durch ihren eigenen Strich, durch geometrische Farbbalken. Diese digitalen Collagen halten Schnitt und Zusammenhalt, Einfall und Zufall, Entschiedenheit und Freiheit in eigentümlicher Ambivalenz. Die Collage geht aus von Findung und Erfindung, ist Neuerfindung, Neuzusammensetzung, Konglomerat. Und auch hier haben wir etwas Metamorphotisches, die stete Verwandlung, Transformation und damit etwas, was diese Arbeiten zusammenschließen könnte. Es geht nie nur um ein Endergebnis, sondern um die uneinholbare Prozessualität des Sehens. Diese Arbeiten hier sind in aller Freiheit Formen des visuellen Denkens, es sind Fließfiguren des anschaulichen Denkens. Musil hat einmal gesagt, das Prinzip der Kunst ist die ständige Variation. Und ich denke hier in dieser Arbeit wird das Prinzip der Variation ausgespielt, erspielt, hergespielt, damit es die Formelhaftigkeit der Erfahrung sprengt und etwas Neues zur Anschauung bringt.
Dorothée Bauerle-Willert, Kunsthistotikerein
Auszug aus der Rede zu „Form.Vielfach – DIE NEUEN“ im Verein Berliner Künstler, 05.08.2022
Das Pendeln zwischen digitaler und analoger Produktion wird hier durchgehalten und zum Gestaltungsmotor, denn es geht Katrin Salentin offensichtlich nicht um effekthascherische Methoden, sondern um die Entwicklung einer Bildaussage. Das ist ein holpriger Weg, der auf Kritik stößt wie alles neu Entwickelte und Befremdende. Dennoch kommt etwas Wirkungsvolles heraus, ein zerstückeltes Überschönes, das als Collage hässlicher Fragmente eine spannende und anders schöne Arbeit wird, die vielleicht den Weg zu etwas völlig Neuem weist. Rein äußerlich handelt es sich um leise, abschreckende, monsterhafte Wesen, aber über die Zerlegung und die Farbwerte kommt ein ästhetischer Reiz zustande, der die Neugier und Sehnsucht aufrechterhält. Als abstrakte Fläche gesehen, ergibt sich eine schroffe Poesie. Der Blick auf die Arbeiten bleibt nicht flüchtig, man muss herantreten an die reizvoll kleinteilige Welt, und man wird trotz leisem Unbehagen neugierig gemacht auf die kleinen Inseln von schönen Lösungen, deren Resonanz jeder für sich erproben muss. Ein dichtes Gewebe komplexer Formwelten von lyrisch befreiter Realistikadaption.
Dirk Tölke, Kunsthistotiker
Auszug aus der Rede zur Einzelausstellung „Innen Schneeweiß“ im Kulturwerk Aachen, 18.04.2015