Surface
Ich liege wach. Im Flur höre ich eine Tür. Sie schließt mit einem krächzen. Draußen rollen Blechlawinen vorbei. Stetig und mit Ausdauer. Ich starre Löcher in den Monitor. Scheinbar wahllos klicke ich Seiten im Netz an. Rufe Mails ab – keine Nachrichten. Schalte Skype an und wieder aus. Der Lüfter summt. Strg+N. In regelmäßigen Abständen grummelt die Straßenbahn vorbei. Das Blatt im Bildbearbeitungsprogramm ist weiß. Ich bin ratlos. Gehe runter zum Briefkasten, nur um den Körper in Schwung zu bringen. Ich entnehme meine Post und sortiere Prospekte – auch die auf dem Boden. Es ist zu viel, dass ich in dem kurzen Moment nicht aufnehmen kann. Um zur Ruhe zu kommen, schneide ich aus den aktuellen Modeflyern Arme, Brustansätze und Handflächen aus. Die Scans derselben schiebe ich auf die noch immer weiße Fläche. Dann blicke ich wieder auf die Fenster dahinter, klicke mir vertraute Hyperlinks an. Zappe durch Videotrailer und Textgebilde. Und vergesse die Zeit. Mit der Dämmerung kommt die Konzentration. Tür-, Blech- und Netzgeräusche werden ausgeblendet. Ich erstelle Ebene für Ebene, verzerre und vertausche, ändere Farben, dupliziere ein Bein. Der Zauberstab wählt eine polygone Form aus, ich drehe sie auf die Seite und klebe Ebene 64 an – nein, Gruppe HG passt besser.
– Katrin Salentin, 2010